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Statement ‚Jonny spielt auf‘ vom 17.03.2022

Marco Damghani

Wir sind wütend, irritiert und schockiert aufgrund der Bilder, die uns vor einigen Tagen aus dem Gärtnerplatztheater erreicht haben. In der Oper ‚Jonny spielt auf‘ hielt es das Produktionsteam für eine gute Idee, die Hauptfigur, die als Schwarzer amerikanischer Mann geschrieben ist, weiß zu besetzen und in blackface auftreten zu lassen.

Die nun aufflammende Diskussion könnte und sollte an dieser Stelle eigentlich beendet sein. Blackface ist eine rassistische Praktik und hat in einer Produktion, die in diesem Jahrtausend entsteht, nichts zu suchen. Da es aber allem Anschein nach auch 2022 noch immer Aufführungen wie die oben Genannte gibt, drehen wir nochmal eine Extrarunde.

‚Blackface‘ entstand als grundlegend rassistische Praxis in den USA der 1830er Jahre. Weiße Darsteller*innen schmierten sich Kohle in’s Gesicht, akzentuierten grob Mund und Augenpartien. Die sogenannten ‚Minstrelshows‘ wurden genutzt, um über Schwarze Menschen als ‚die Anderen‘ zu sprechen – und vor allem zu lachen. In den stark segregierten USA hatten Schwarze Menschen keine Möglichkeit, künstlerisch zu wirken oder sonstwie am öffentlichen Diskurs teilzunehmen, Sklaverei war tägliche Praxis. In Blackfacing-shows wurden Schwarze Menschen noch zusätzlich rassistisch degradiert, indem sie stereotypisch essentialisiert wurden auf das Bild des dauerglücklich-naiven Schwindlers, der nur zur Belustigung der weißen Zuschauer*innen existierte. Die geblackfacede Figur des Jim Crow wurde namensgebend für eine Reihe von Gesetzen, die der Rassentrennung dienten.

Die Verantwortlichen der diesjährigen Inszenierung von ‚Jonny spielt auf‘ am Gärtnerplatztheater versuchen, sich mit dem Argument der ‚historischen Genauigkeit‘ aus der Verantwortung zu flüchten. In der Originalinszenierung von 1928 war der Hauptdarsteller ebenfalls ein weißer Mann in Blackface, daher müsse er es auch heute sein.

Mit anderen Worten: Es wird unkritisch Rassismus von vor knapp 100 Jahren reproduziert. Hier ist keine Reflexion, kein Abstand, keine kritische Haltung erkennbar. Das Argument wird noch dünner, wenn kurz später riesige Videoprojektionen über das Bühnenbild flimmern – hier war eine Veränderung der Originalinszenierung anscheinend kein Problem.

Wir sind uns darüber bewusst, wie pikant es ist, die Inszenierung am Gärtnerplatztheater zu kritisieren: Die Verantwortlichen werden nicht müde, zu erwähnen, dass die Originalinszenierung in den 20er/30er Jahren häufig von Nationalsozialisten gestört und unterbrochen und schließlich als ‚entartete Musik‘ gebrandmarkt wurde. Uns geht es in diesem Post aber keineswegs darum, jemanden in seiner Kunstfreiheit einzuschränken oder Verbote auszusprechen. Wir möchten lediglich zweierlei:

  1. Eine Antwort auf die Frage, wie es einem Produktionsteam im Jahr 2022 passieren kann, so unverhohlen rasstische, verletzende Bilder zu reproduzieren. Wurde während der Entstehung mit einer Person vom Fach, vielleicht einer Diversitätsbeauftragten gesprochen? Ohne in die Repräsentationsfalle tappen zu wollen, müssen wir an dieser Stelle auf das rein weiße, cismännliche Team aus Regie/Dramaturgie/musikalische Leitung/Bühne hinweisen. Es entsteht das Gefühl, dass kein BIPoC an entscheidender Stelle mitgewirkt hat – dass also wieder nur über ‚die Anderen‘ gesprochen wird.

  2. Ein Ende der Praktik des unkritischen Blackfacings. Vielleicht gibt es irgendwo, irgendwie eine Möglichkeit, sich dieser rassistischen Maske wieder zu ermächtigen – dies muss jedoch in Zusammenarbeit mit oder gerade durch jene Menschen passieren, gegen die die Maske sich richtet. Das ist ein langwieriger, schmerzhafter Prozess, der uns als Gesellschaft an die widerwärtigsten Momente unserer Vergangenheit erinnern wird und daher nicht mit einer simplen ‚kreativen Entscheidung‘ abzutun ist. Abschließend sei vielleicht noch gefragt, ob es für weiße/nichtSchwarze Künstler*innen denn unbedingt sein muss, sich überhaupt dieser Maskerade anzunehmen.

Als Zusammenschluss von migrantisierten und jüdischen Theaterschaffenden ist es uns ein ernstes Anliegen, Produktionen wie ‚Jonny spielt auf‘ nicht unkommentiert zu lassen: In den nächsten Wochen ist der Abend mehrmals als Kinder- und Jugendtheater angesetzt und es ist nicht zu erwarten, dass dem jungen Publikum ein Rahmen gegeben werden wird, der ihnen eine historisch-akkurate Einordnung des Dargestellten ermöglicht. Die Verantwortlichen des Abends scheinen diesen Rahmen selbst nicht zu besitzen.

euer

Stabiler Rücken

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