Stabiler Rücken e.V. ist ein Zusammenschluss von kunstschaffenden Personen im Theater-
und Filmbereich.
Wir bezeichnen uns als BIPoC1 und/oder Schwarz, wir sind die Kinder von Arbeitsmigrant*innen
oder Menschen mit Fluchterfahrung, wir sind Bindestrich-Deutsche, jüdische Personen, wir sind
Musilme und Muslimas.
Unsere Gemeinsamkeit ist der Wunsch in unserem Arbeitsumfeld Rassismus, Antisemitismus und
Diskriminierung im Allgemeinen nicht mehr allein gegenüberzustehen und einen stabilen Rücken
hinter sich zu wissen.
Wenn fast alle Menschen vor und hinter der Kamera oder auf den deutschsprachigen Theaterbühnen
weiß2 besetzt sind, also nur einen bestimmten Teil der Gesellschaft abbilden, ist dies eine bewusste
Entscheidung. Für ‘die Anderen’ heißt das: “Ihr werdet nicht gesehen. Euch gibt es nicht.”3
Und wenn ‘die Anderen’ dann doch auftreten, sprechen sie gebrochenes Deutsch, sind Platzhalter für
Themen und Diskurse aus weißer Perspektive.
Wir von Stabiler Rücken e.V. wollen uns dafür einsetzen, eine große Bandbreite der Gesellschaft
sichtbar zu machen, da wir sichtbar sind.
Künstler*innen sollen ihre Geschichten und Themen selbst wählen und
erzählen können. Wir setzen uns für eine selbstbestimmte Arbeitsweise in der Kunst ein.
Wir fordern:

• als Künstler*innenpersönlichkeiten fernab von unseren äußeren Merkmalen wahrgenommen zu
werden
• eine Quote für Diversität nicht nur vor der Kamera und auf der Bühne, sondern in allen
Bereichen unseres Arbeitsfelds (Führungs- und Entscheidungspositionen, Regie,
Autor*innen, Produzent*innen, Kostüm, Technik etc.) einzuführen
• regelmäßige Schulungen und Antirassismus-Workshops für alle Mitarbeiter*innen in Kunst und
Kulturbetrieben einzuführen
• regelmäßige Empowerment-Workshops für Betroffene anzubieten
• die Antirassismusklausel4 für alle Betriebe umzusetzen
• Maskenbildner*innen im Umgang mit unseren Haaren und Makeup angemessen zu schulen

Der Fokus unserer Vereinsarbeit liegt auf den Themen Antirassismus und Antisemitismus in Theater
und Film. Zudem dulden wir keinen Sexismus, Ableismus5, Altersdiskriminierung und die
Diskriminierung der LGTBQIA+6 Community.

Wir nehmen es nicht länger hin, als einzige nicht-weiße Person im Raum ständig den/die
Vertreter*in der gesamten nicht-weißen Welt zu geben und, wie nebenher, die Unwissenheit unserer
Kolleg*innen auszugleichen. Die hiermit verbundene seelische Verausgabung wird uns von keiner
Seite entlohnt, im Gegenteil: Oft verhallen unsere Schilderungen ungehört und unerwidert. Oder
man sagt uns, dass wir nicht überreagieren sollen. Wir hören das meistens von Menschen aus
Happyland7.

Aus Liebe zur Kunst, aus Liebe zu uns selbst und unseren Communities, sowie dem daraus
resultierenden Bedürfnis, den beschriebenen Zustanden entgegenzuwirken, ist diese Vereinigung
entstanden.




Wie oft musstest Du die/den “Andere/n” spielen, nur weil Du nicht als deutsch gelesen worden bist?
Wie oft musstest Du stellvertretend die Stimme für eine bestimmte Gruppe sein, nur weil man*
annimmt, dass Du nicht Deutsche bist?
Wie oft warst Du die einzige nicht-weiße Person im Raum und wurdest ständig als der/die
Vertreter*in der gesamten nicht-weißen Welt wahrgenommen?
Wie oft wurdest Du darauf hingewiesen, dass Du Deinen Job nur aufgrund deiner Herkunft
angeboten bekommen hast und weil es momentan ein “Trend” ist “solche Leute” einzustellen?
Wie oft wurde dir dieser seltsame Wettbewerbsvorteil unterstellt und Du dann im Anschluss dafür
gelobt, dass Du ihn nicht nutzt?
Wie oft hast Du unbezahlte “Übersetzungsarbeit” geleistet, nur weil die Produktion zu geizig für
eine*n Übersetzer*in war?
Wie oft saßt Du in der Maske und es gab kein passendes Makeup?
Wie oft wurde dir bereits vorgeschlagen in irgendeinem Akzent zu sprechen, mit dem Du gar nichts
zu tun hast, nur weil du als nicht weiß gelesen wurdest?
Wie oft wurdest Du nach deinen Erfahrungen zum Thema Antisemitismus, der Shoah oder deinem
Verhältnis zu Israel gefragt?
Wie oft wurde dir schon durch die Blume deine Identität abgesprochen, weil Du dem Klischee nicht
entsprochen hast/ akzentfrei sprichst/ “zu deutsch” warst?
Wie oft hast Du in deinem Berufsumfeld Witze, Kommentare und Fragen gehört, die dich auf deine
Herkunft oder Religion reduzieren, du dich ausgegrenzt fühlst und niemand was gesagt hat?
Wurdest Du auch schon sofort nachgeäfft („isch, lan tschüüüüüüch“), wenn du dich mal
versprochen hast oder wurdest ungefragt korrigiert, wenn Du einen Fehler gemacht hast?
Wie oft wurdest Du von weißen Kolleg*innen plötzlich mit Slang angesprochen, um zu zeigen dass
sie auch “cool und street” sein können?
Wie oft wurdest Du, nur weil du eine Adidasjacke und Creolen anhattest, als “Assi-Braut”
tituliert?
Wie oft wurdest Du gefragt, wo Du “wirklich” herkommst?
Wie oft wurden dir Alternativen zu deinem Namen vorgeschlagen, die nicht so “kompliziert”
waren?
Wie oft hast Du herkunftbezogene Witze, Kommentare oder Fragen vernommen und wusstest nicht,
ob und wie du etwas sagen kannst?
Wie oft wurde dir aufgrund deine Äußeren unterstellt, nur aus religiösen Gründen keinen Alkohol
zu trinken, obwohl Du dieser Religion nicht einmal angehörst?
Wie oft musstest Du Leuten wieder und wieder erklären, warum es nicht ok ist, dass N-Wort,
K-Wort oder Z-Wort zu benutzen?
Wie oft musstest Du erklären, dass nicht alle “Türken” gleich Türken sind, sondern dass es
türkeistämmige Menschen gibt? Sprich Kurd*innen, Armenier*innen, Tscherkes*innen, kurz
einfach das es ein Vielvölkerstaat ist?
Wie oft hast Du Menschen und Geschichten in Film, Fernsehen, Kino oder Theater gesehen, die
dich repräsentieren und kannst Du Dich mit den bestehenden Figuren und Geschichten in diesen
Medien momentan identifizieren?

Das Selbstverständnis kann HIER heruntergeladen werden




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1 BIPoC: Black, Indigenous, Person of Color, ist eine Selbstbezeichnung die oft als Synonym für nicht als weiß
gelesene Personen verwendet wird.
2 weiß: beschreibt kulturelle, historische und soziologische Aspekte von Menschen mit “weißer
Hautfarbe”. Ebenso geht es um die soziale Konstruktion von Weißsein als Statuszeiger. Insgesamt
wird damit eine Kategorie zur kritischen Analyse sozialer Normen verbunden. In Extremfällen wie
der White Supremacy geht es um Konstrukte, die Rassismus rechtfertigen oder begünstigen.
3 Statement von Soleen Yusef zu Diversität im Film beim First Steps Award:
„Also das ist egal was für ne Figur eigentlich im Deutschen Fernsehen bis jetzt vorkommt – nicht im Kino aber oft im
Fernsehen ist es so – da werden ganze Gruppierungen ausgeschlossen aus der Gesellschaft. Man muss sich auch fragen
wie das ankommt bei diesem Publikum. (…) Man muss sich ja schon fragen, wenn ich so einen Film mache (…) wo 100
Prozent nur weiße Charaktäre geschrieben sind oder bespielt werden dürfen, dann ist das ein Bild der Gesellschaft was
man nach außen hin transportiert. Das heißt: wir sehen euch nicht und euch gibt’s auch nicht. Und das ist was man den
Leuten vermittelt: Wir sehn euch nicht und euch gibt’s auch nicht.“
4 Die Antirassismusklausel → https://www.antirassismusklausel.de/ Die Vereinbarung sieht vor, dass
Auftraggeber*innen, etwa ein Theater, im Falle eines Verstoßes auf eigene Kosten eine
Schulung oder vergleichbare Maßnahme mit ihren Mitarbeiter*innen durchführen lassen muss, die zur Aufklärung über
rassistische Strukturen und rassistische Wortwahl beiträgt. Eine Besonderheit ist, dass die Deutungshoheit darüber,
welche Beleidigungen als rassistisch diskriminierend empfunden und eingestuft werden, bei den Betroffenen selbst
liegt.
5 Ableismus: Diskriminierung von Menschen mit Behinderung
6 LGTBQIA+: Lesbian-Gay-Trans-Bi-Queer-Inter-Asexual und alle weiteren sexuellen Orientierungen und Identitäten
7“Ich nenne den Zustand, in dem weiße Menschen leben, bevor sie sich aktiv und bewusst mit Rassismus
beschäftigen, ‘Happyland’.(…) Happyland ist eine Welt, in der Rassismus das Vergehen der Anderen ist. In
Happyland wissen alle Bewohner*innen, dass Rassismus etwas Grundschlechtes ist. (…) Im Selbstverständnis der
Happylander und -landerinnen* hat das Wort ‘Rassismus’ keinen Platz. Auch andere verwandte ‘Ismen’ sind dort
wenig vertreten. Fragt man die Bewohner*innen Happylands, wie es denn so um Rassismus steht in dieser Welt,
wird er*sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass das kein großes Thema mehr ist.”
Auszüge aus Tupoka Ogettes Buch “Exit Racism” zum Begriff “Happyland”